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#5 – Clemens Meyer: „Die Nacht, die Lichter“
Provenienz: Geschenk von Kollegen, zusammen mit einem großen Schwung anderer Bücher
Ungelesen seit: anderthalb Jahren
Clemens Meyer ist der Autor von „Im Stein“, der im Vorfeld des letzten Deutschen Buchpreises so offenkundig siegessicher war. Die Jury gab dann allerdings Terézia Moras „Das Ungeheuer“ den Vorzug, und Meyer wurde mir einerseits sehr sympathisch, weil er seine Enttäuschung so deutlich zeigte: kein verkniffenes Lächeln, kein Überspielen. Andererseits war auch viel echte Empörung dabei. So sehr von dem eigenen Werk eingenommen zu sein, dass man andere nicht gelten lassen kann – das war mir dann doch eher unsympathisch. Eine insgesamt neutrale Gefühlslage also, mit der ich seinen Kurzgeschichtenband in die Hand nahm.
„Die Nacht, die Lichter“ ist nicht nur der Titel einer der Geschichten, sondern auch ein wiederkehrendes Motiv. Eigentlich ist dauernd Nacht, und dauernd sieht jemand irgendwelche fernen Lichter. Clemens Meyer macht sich einen Spaß daraus, jede einzelne seiner Figuren ins offene Messer laufen zu lassen – je sympathischer der Mensch, desto schärfer das Messer. Das ist auf Dauer durchaus einseitig. Die Männer sind irgendwie meistens Boxer und die Frauen fast alle Prostituierte, und wenn das jetzt ein bisschen genervt klingt, habe ich alles richtig gemacht.
Meyer hat sein Studium unter anderem als Gabelstaplerfahrer finanziert. Das verschafft ihm eine wunderbare Street Credibility, wenn er über Gabelstaplerfahrer schreibt. Ich habe das Gefühl, jetzt alles darüber zu wissen, wie man die Gabel richtig anhebt, und ja, das ist durchaus interessant. Aber ich werde gleichzeitig das Gefühl nicht los, dass er eine Welt heraufbeschwört, in der sich immer alles zum Schlechten wendet, weil er ernst genommen werden will. Und Autoren, die auf hart machen, das aber sprachlich in mühevoller Arbeit drechseln, überzeugen mich nicht.
Dabei kann man dem Buch handwerklich überhaupt nichts vorwerfen. Bis auf die Tatsache, dass es keine gute Pointe ist, jede Geschichte im worst case enden zu lassen. Das macht die Lektüre etwas vorhersehbar. Die Frage ist dann nur: Verliert der Mann all sein Geld auf der Rennbahn, oder gewinnt er und wird erst auf dem Heimweg überfallen?
Was jetzt? Der nächste Kerl, der mir über den Weg läuft und den Harten markiert, bekommt es geschenkt. Und ein genervtes Kopfschütteln dazu.
Clemens Meyer: „Die Nacht, die Lichter“. Stories. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2010. 299 Seiten, gebunden, 10 Euro.