Kategorie: Graphic Novel

#12 – Zeina Abirached: „Das Spiel der Schwalben“

Provenienz: Der beste Bruder von allen hat es mir zu Weihnachten geschenkt.

Ungelesen seit: zweieinhalb Monaten

13947030266510Meine Erfahrungen mit graphic novels kann ich ohne großes Kokettieren als verschwindend gering bezeichnen. Ich habe „Persepolis“ von Marjane Satrapi gelesen, aber das war es auch schon. Ist ja auch mal schön, vollkommen uninformiert unvoreingenommen an die Sache heran zu gehen. Und gleich zu bemerken: Um die Bilder richtig zu verstehen, braucht man eine Weile.

Das liegt am Stil von Zeina Abirached, die Bilder wie Holzschnitte macht. Oft ist dadurch das Wesentliche weiß, und ich musste meine Sehgewohnheiten erst mal umstellen. Abirached erzählt von einer Nacht im Jahre 1984 in Ost-Beirut, mitten im libanesischen Bürgerkrieg. Sie selbst ist noch ein kleines Mädchen und wartet mit ihrem Bruder auf die Rückkehr der Eltern. In dieser Nacht ist es mit den Heckenschützen und Granaten draußen besonders schlimm, deshalb wagen die Eltern es nach einem Besuch bei der Großmutter nicht, den kurzen Weg über die gefährlichen Straßen nach Hause anzutreten.

Die Kinder haben sich in die Diele zurückgezogen, wo die Familie inzwischen fast ausschließlich lebt. Das ist der sicherste Raum der Wohnung, des Hauses sogar, weil er im ersten Stock liegt. Deshalb kommen jeden Abend die Nachbarn vorbei. An diesem Abend bringen sie Salat mit, es wird ein Kuchen gebacken, Whisky getrunken und aus „Cyrano de Bergerac“ zitiert. Alle sorgen sich um die Eltern der Kinder, aber Zeina Abirached lässt auch eine große Geborgenheit in den Bildern um ihre Figuren entstehen. Gelegentlich sind sie sogar verblüffend witzig. Die Autorin nimmt sich die Zeit, die Geschichten der Nachbarn zu erzählen, und verrät en passant viel darüber, wie liberal der Libanon in den Siebzigern schon war. Trotzdem wartet der Horror die ganze Zeit vor der Haustür.

Ich bin fast derselbe Jahrgang wie die Autorin. Es berührt mich deshalb besonders, was sie als Kind erleben musste, während ich Plastikponys gekämmt habe. Meine erste weltpolitische Erinnerung ist die an Tschernobyl, und man kann nicht behaupten, dass ich damals die Tragweite auch nur ansatzweise erfasst hätte: Ich fragte, ob der Spinat nun auch vergiftet sei, und freute mich sehr, als meine Mutter dies bejahte. Es war die Insel der Seligen, und andere Kinder lebten im Krieg. Sich das immer mal wieder bewusst zu machen, kann wirklich nicht schaden.

Was jetzt? Das Buch bleibt bei mir. Es wird sich eine gute Gesellschaft dafür finden.

Zeina Abirached: „Das Spiel der Schwalben“. Graphic Novel. Avant-Verlag, Berlin 2013. 182 Seiten, broschiert, 19.95 Euro.