Kategorie: Krimi

#32 – Wolf Haas: „Brennerova“

Provenienz: Ich schenkte es meinem Bruder mit der Bitte, es mir zu leihen, wenn er damit durch ist. Es kam ganz zu mir zurück, weil er es nicht ertrug.

Ungelesen seit: zwei Wochen

20141215_215647Dass überhaupt jemand etwas gegen Wolf Haas haben kann, hätte ich gar nicht gedacht. Witzig und schlau zugleich, wer schreibt schon so? Es stellte sich heraus, dass die Sprache nicht für jedermann etwas ist. Mein Bruder konnte sich an den österreichischen Duktus nicht gewöhnen, der unter anderem oftmals das Verb auslässt: „Die griesgrämige Lehrerin ist förmlich aus der Herta entwichen, Dämon nichts dagegen. Und an ihrer Stelle ist da eine gestanden, wo man sagen muss, Russinnen schön und gut, aber die einheimischen Weiber auch nicht zu verachten.“ Da ich den größten Teil meines Lebens in München verbracht habe und eine Leidenschaft für Österreich hege (Berge! Walzer! Mehlspeisen!), fällt mir so etwas nach ein paar Seiten kaum mehr auf. Es bleibt nur ein behagliches Gefühl.

Dabei haben wir es hier natürlich mit einem Krimi zu tun. Allerdings atmen die Krimis von Wolf Haas um den mittlerweile ehemaligen Kommissar Brenner eine angenehme Bräsigkeit. Auch hier kommt selten diese Art Spannung auf, bei der man an seinen Fingerknöcheln nagen möchte. Schon der traditionelle Einstieg „Jetzt ist schon wieder was passiert“ klingt doch, als wuchte sich gerade jemand aus dem Lehnsessel hoch und ziehe erst einmal seine Cordhose zurecht, bevor er dann doch widerwillig die Leiche anschauen geht.

In „Brennerova“ gibt es aber erst mal gar keine Leiche. Sondern eine Russin namens Nadeshda, die dem Brenner anvertraut, dass ihre Schwester von Menschenhändlern verschleppt wurde. Sie bittet ihn um Hilfe, und weil ihre Augen gar so schön sind, macht sich der Brenner auf die Suche. Dabei landet er schnell in einem halbseidenen Milieu, was seine Freundin Herta überhaupt nicht gut findet. Zumal kurz nach Beginn seiner Recherchen zwei Männer mit abgehackten Händen im Krankenhaus landen.

Mit einem dieser Männer freundet der Brenner sich an und landet prompt selbst auf der Fahndungsliste der ehemaligen Kollegen. Und dann geht die Herta auch noch dauernd auf Wanderreisen und neigt dazu, sich dort in Einheimische heftig zu vergucken. Zum Glück ist der Brenner vom Leben schon so abgehärtet, dass ihm diese ganzen Niederungen kaum ein Zucken mit der Augenbraue abnötigen. Das finde ich persönlich großartig, denn ich hasse Bücher, bei dem Menschen immer tiefer in die Katastrophe rutschen und allmählich verzweifeln. Mir ist so ein abgestumpfter, frustrierter alter Typ, der nicht viel zu verlieren und deshalb vor nichts mehr Angst hat, tausendmal lieber. Na ja. Zumindest, wenn die Geschichte drumherum auch noch so komisch ist wie bei Wolf Haas. Ohne das geht’s nicht.

Was jetzt? Mein nächstes Versuchskaninchen für dieses Buch wird ein Herr aus dem hohen Norden. Mal schauen, wie er die fehlenden Verben und halben Sätze verkraftet.

Wolf Haas: „Brennerova“. Roman. Hoffmann und Campe, Hamburg 2014. 239 Seiten, gebunden, 20 Euro.

#28 – Hannah Wakefield: „Die Anwältin“

Provenienz: Keinen Schimmer.

Ungelesen seit: Schon immer, irgendwie. Steht gefühlt mein halbes Leben im Regal rum.

20141102_110031Nichts an diesem Buch sagte mir irgendwas. Weder der Name der Autorin (gemeinsames Pseudonym zweier Amerikanerinnen), noch der Titel, der mich seltsam an John Grisham erinnerte. Und: Kriminalroman. Ich interessiere mich nicht für Kriminalromane, schon gar nicht für solche mit merkwürdigen Neunziger-Jahre-Illustrationen auf dem Cover. Aus zwei Gründen klappte ich „Die Anwältin“ schließlich doch auf: Der eine ist dieses Blogprojekt, der andere ein Blurp hintendrauf. Die „Volksstimme“ urteilt da: „[…] durchweg sehr weiblich geschrieben.“

Holla! Sehr weiblich, und das durchweg! Wie mag das wohl sein, so ein weiblich geschriebenes Buch? Werden überdurchschnittlich viele runde Buchstaben benutzt? Heißt die Protagonistin Barbie? Sagen immer alle „Süße“ zueinander und gehen gemeinsam aufs Klo? Na gut, halten wir uns mit dieser albernen Zuschreibung nicht weiter auf. Ich wollte einfach wissen, was die „Volksstimme“ gemeint haben könnte.

Auffällig sind tatsächlich die vielen weiblichen Figuren im Buch. Die titelgebende Londoner Anwältin heißt Dee und recherchiert in einem Mordfall, um ihre Mandantin frei zu bekommen. Ihre Kanzlei besteht aus vier Partnerinnen, auch sonst hat sie fast nur mit Anwältinnen zu tun. Ihre Verbindung in die Pathologie ist eine Frau, und auch beim Friedenscamp neben einer Militärbasis, wo Teile der Handlung spielen, leben und protestieren nur Frauen. Das mutet heute ungewöhnlich an, und ich mag mir gar nicht ausmalen, wie ausgeflippt es vor einem Vierteljahrhundert gewirkt haben muss.

Dee ist frisch getrennt, seit der Abschiedsnummer schwanger und ratlos, was nun zu tun sei. Also stürzt sie sich in die Arbeit. Der Kriminalfall selbst ist aber eigentlich völlig uninteressant. Er hat einen politischen Anstrich: Vielleicht hat er mit dem Friedenscamp zu tun, vielleicht mit dem Nordirland-Konflikt, aber vielleicht auch nichts von alldem. Dee begibt sich natürlich in unglaublich gefährliche Situationen, wie Protagonistinnen in Kriminalromanen das eben so zu tun pflegen, aber eigentlich kann man es wirklich kaum guten Gewissens als spannend bezeichnen. Ganz gern gelesen habe ich das dennoch. Die vielen Frauen in strategisch günstigen Positionen haben mir jedenfalls gefallen.

Was jetzt? Mir gefällt der Gedanke, dass ich es irgendwann meiner (noch zu bekommenden) Tochter hinlege und sie sagt: „Ja und? Da sind doch genau so viele Frauen in wichtigen Jobs wie im echten Leben!“ Tja. Aber das kommt mir so unrealistisch vor, dass es sich wahrscheinlich nicht lohnt, das Buch deswegen zu behalten.

Hannah Wakefield: „Die Anwältin“. Kriminalroman. Aus dem Amerikanischen von Christa Seibicke. Dtv, München, 1993. 248 Seiten, Taschenbuch, 12.80 DM (steht da!).