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#18 – Catherine Alliott: „Heiratsfieber“

Provenienz: Tja, wie solche Bücher eben zu einem kommen. Im Zweifelsfall in der Bahnhofshalle gekauft.

Ungelesen seit: Ich dachte, acht Jahren. Aber dann kam alles ganz anders.

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Welches Buch nimmt man mit, wenn man zu einer Beerdigung reist? Wenn man schon freundliche Weisheiten von echten Menschen mittels Lakonie abtropfen lässt und sicher nicht auch noch ein deprimierendes Buch brauchen kann? In dieser Situation entschied ich mich für „Heiratsfieber“ von Catherine Alliott. Und immerhin, deprimiert hat es mich nicht. Die Eckdaten: Die geschiedene Londonerin Annie will einen Arzt heiraten, reist aber vorher über die Sommermonate mit ihrer 12-jährigen Tochter Flora nach Cornwall, um einen Roman zu schreiben. (Die Romanfigur schreibt einen Roman! So meta!) Allerdings haben sich durch ein Versehen auch der Amerikaner Matt und dessen Sohn im selben Haus eingemietet, also muss es geteilt werden. Hier trapst die Nachtigall bereits gewaltig.

Was mir sofort auffiel, waren die unabsichtlichen Widersprüche im Buch. Die Tochter zum Beispiel wird eingeführt, wie sie zu spät in die Küche stürzt, ihre Schulsachen hinter der Tür vom Boden aufklaubt und mit wehenden Haaren zum Schulbus rennt. Wenige Seiten später heißt es, Flora wäre ja so gut organisiert und ordentlich. (Das stimmt immerhin im Gegensatz zu Annie, die – total originell für das Genre – eine liebenswerte Schlunze ist.) Weiterhin heißt es, das Haus in Cornwall habe direkten Zugang zum Meer, aber später liegt es plötzlich ein gutes Stück landeinwärts. Und als Annie erwägt, ein weiteres Kind zu bekommen, freut sich ihre Schwester, dass sie ihr dann endlich mal Ratschläge geben kann – dabei hat Annie doch schon ein Kind.

Mein absolutes Highlight war allerdings der Name von Matts Sohn: Tod. Man sollte meinen, da hätte rechtzeitig jemand eingegriffen und gesagt: ‚In der deutschen Übersetzung nennen wir ihn besser Todd, die Schreibweise kennt man dort, und es hat nicht diese Konnotation von, nun ja, Verwesung.‘ Aber nein. So kommt es zu Perlen wie: „Von Tod keine Spur.“

Das Geschehen plätschert so vor sich hin. Wer einmal einen Frauenroman gelesen hat, kann es sich ungefähr vorstellen – das ist ein bisschen wie bei Western: Kennste einen, kennste alle. Und irgendwann, etwa nach 400 Seiten, fiel es mir auf: Ich hatte dieses Buch schon einmal gelesen. Da kam nämlich eine psychologische Komponente ins Spiel, die in etwa besagt: Der Typ, der richtig für dich war, als es dir schlecht ging, ist nicht unbedingt der richtige, wenn es dir wieder gut geht. Das habe ich mir damals gemerkt, weil es mir plausibel schien. Der Rest des Buches war vollständig aus meiner Erinnerung gelöscht und durch ABBA-Songtexte ersetzt worden. Wie praktisch. Wenn das Buch nicht so voller Schlampereien und sprachlicher Plumpheiten wäre, könnte ich es glatt in acht Jahren nochmal lesen.

Was jetzt? Das Buch kommt weg. Entweder auf das Verschenk-Fensterbrett im Treppenhaus oder gleich in den Papiermüll.

Catherine Alliott: „Heiratsfieber“. Roman. Aus dem Englischen von Andrea Stumpf und Gabriele Werbeck. Blanvalet Verlag, München 2006. 544 Seiten, Taschenbuch, vergriffen.

Disclaimer: Ich veröffentliche auch bei Blanvalet. Ich konnte allerdings keinerlei Befangenheit in mir finden.